Als Antwort auf den Trend zum digitalen Lesen setzt beim einen oder anderen eine – abermalige – Bewusstseinsschärfung für besonders schöne und haptische Druckerzeugnisse ein. Diese analoge Reaktion bzw. Gegenreaktion bedienen Dirk Wood und Ted Adams als Herausgeber und Kuratoren des neuen englischsprachigen Kultur-Magazins »Full Bleed: Comics & Culture Quarterly«, dessen erste Ausgabe im Januar beim Spezial-Interest-Imprint IDW PDX des amerikanischen Comic-Verlag IDW erschien.
Und was für eine erste Ausgabe das geworden ist! Ein dickes, großes Hardcover mit 200 Seiten im Format 28,5 x 22,5 cm, das seinen Titel »Full Bleed« (zu Deutsch: über den Rand, randabfallend gedruckt) ganz genau nimmt und inhaltlich zwischen Comics, TV, Film, Kunst, Musik und Literatur in keine Schublade passt, während gestalterisch in Schrift und Bild aus allen Rohren gefeuert wird. Prosa, Comics, Artikel, Essays, Reiseberichte, Interviews, alles großzügig gesetzt und bebildert – da geht man gerne auf Schatzsuche. In der gebundenen Debütnummer findet sich z. B. ein verschollenes, vorher nie veröffentlichtes und ziemlich schräges Interview mit dem englischen Autor, Comic-Gott und Magier Alan »Watchmen« Moore, während Stephen King in einem langen Gespräch über die Comics plaudert, die er so las und schrieb oder noch gern schreiben würde. Bernie Wrightson, der 2017 verstorbene Meister des Makabren, wird als Künstler und Mensch ausführlich gewürdigt, und Joe R. Lansdale offeriert eine neue, fiese kleine Kurzgeschichte, die Tim Truman illustrierte. Andere Beiträge widmen sich Comics und Buchmessen auf Kuba, der falschen Darstellung Nigerias in US-Comics, einer teuren Jazz-und-Whisky-Bar in Japan, dem Vermächtnis der TV-Serie Die Sopranos, Weißen Haien, Baseball oder Punk-Künstlerin Carla Bozulich, derweil Dirk Gently-Produzent Arwind Ethan David darüber plaudert, wie Douglas Adams sein Leben veränderte.
Ergo: Eine vielseitige Wochenendlektüre, und vielleicht mal ein Sammlerstück für die Fans von Lansdale und King! Denn um als unbescholtener Kultur-Konsument »Full Bleed Vol. 1« zu kriegen, muss man darauf hoffen, dass der eine oder andere Comic-Shop in Deutschland sich gekümmert hat – Händler mussten ihre offiziellen Vorbestellungen vorab über Kickstarter anbringen, wodurch mit zusammengekommenen 90.000 Dollar bei veranschlagten 50.000 Dollar das Debüt der bunten Hardcover-Magazin-Wundertüte gesichert wurde. Geplant sind vier Ausgaben/Bände pro Jahr. Mal sehen, wie lange die Macher und die Leser durchhalten.