Das Erbe des Weißen Wolfs

Das Erbe des weißen Wolfs,
dtv 2022

Geralt von Riva, der Ende 1986 in der allerersten Witcher-Kurzgeschichte von Andrzej Sapkowski auf den Seiten des polnischen Fantasy-Magazins »Fantastyka« debütierte, ist heute eine ebensolche, ebenso multimediale Ikone des Genres wie Conan von Robert E. Howard oder Elric von Michael Moorcock – eine beachtliche Leistung für einen Sword-and-Sorcery-Fantasy-Antihelden aus Polen, der übrigens beim ersten Anlauf in Deutschland scheiterte.

Nach Comics auf beiden Seiten des großen Teichs, einer TV-Serie in seiner Heimat, den international gefeierten Videogames, der fortlaufenden Adaption als Netflix-Streaming-Serie und einer illustrierten Ausgabe der ursprünglichen Erzählungen im XL-Hardcover liegt nun die Anthologie »Das Erbe des Weißen Wolfs. Magische Geschichten aus der Welte des Hexers« vor.

Im Original entstanden die elf Prosa-Geschichten des von Danuta Górska, Miroslaw Kowalski und Marcin Zwierzchowski herausgegebenen Bandes für einen von »Nowa Fantastyka« durchgeführten Schreibwettbewerb zum 30-jährigen Jubiläum von Sapkowskis Hexer. Ein kurzer Gruß vom Meister und ein Vorwort von Zwierzchowski eröffnen die Kollektion, die einmal mehr von Erik Simon vollmunding ins Deutsche übertragen wurde.

Die Autorinnen und Autoren haben größtenteils gute bis sehr gute Hexer-Pastiches vorgelegt – den markanten Ton und die besondere Stimmung von Sapkowskis Witcher-Büchern treffen z. B. alle Geschichten. Erstaunlicherweise widmen sich aber gar nicht so viele Geralt, sondern mehr als die Hälfte auch Nebenfiguren bzw. Randfiguren, ob Koralle, Lambert, Coen oder Rittersporn. Auch sind Zugang und Perspektive manchmal eine Überraschung. Das ist alles schön und gut, hat immer Hand und Fuß, erweitert die Welt des Hexers um Facetten und bleibt dem Originalmaterial dennoch stets treu – allerdings geht es hin und wieder doch etwas weit vom Hexer-Goldstandard fort, ein bisschen mehr Geralt hätte der Sammlung bei allem Streben nach einem eigenen Ansatz keineswegs geschadet.

Eine schöne Tribut-Anthologie und lesenswerte Hommage-Storysammlung mit derber polnischer Fantasy aus dem Witcher-Universum ist der Band trotzdem allemal.