Obwohl ich meistens über fantastische Literatur und Comics schreibe, lese ich übers Jahr verteilt mindestens genauso viele Krimis wie Fantastik. Weil die Stadtmagazine in Berlin (Tip) und Nürnberg (Doppelpunkt) dieses Jahr – wie so viele andere auch – unter Corona und den Lockdowns zu leiden hatten, habe ich eine Vielzahl Bücher im Blog der befreundeten Würzburger Buchhandlung Hermkes Romanboutique vorgestellt, das meiste davon eben Krimis. Eine Auswahl meiner Science-Fiction-Highlights aus 2020 gibt’s dagegen bei Tor-Online.
Für diesen meinen Blog hier hab ich nun noch mal meine persönlichen Krimi-Favoriten aus 2020 in halbwegs chronologischer Reihenfolge zusammengestellt – mögen sie eure SUB-Vorsätze fürs neue Jahr durchkreuzen und eure Lesestapel freudig wachsen lassen! Und ja, vermutlich habe ich jetzt 2, 3 Bücher vergessen (und zu »Elmet« von Fiona Mozley kam ich noch gar nicht), aber hey, 2020, ihr wisst schon.
Heaven, My Home von Attica Locke (Polar)
Osttexas ist seit Jahren das literarische Krimi-Hoheitsgebiet von Genre-Alleskönner Joe R. Lansdale. Aber spätestens mit ihrem zweiten Roman über den afroamerikanischen Texas Ranger Darren Mathews, der den Vorgänger „Bluebird, Bluebird“ noch einmal toppt, hat sich Attica Locke bereits ein ganzes Stück von Krimi-Texas erobert. Es gibt kaum aktuellere oder relevantere Krimi-Lektüre über Rassismus in den USA.
Late Show von Michael Connelly (Kampa)
Michael Connelly ist ein moderner Meister des Polizei-Krimis. Der erste Band um seine neue Ermittlerin Renée Ballard aus der Nachtschicht in L. A. ist noch nicht so gut wie Conellys jahrzehnteumspannende „Bosch“-Highlights, deren TV-Adaption man gesehen haben muss, jedoch ein ordentlicher Start. Anfang 2021 initiiert Kampa übrigens eine „Bosch“-Neuausgabe und bringt mit „Night Team“ das Ballard/Bosch-Crossover.
Broken von Don Winslow (HarperCollins Germany)
Don Winslow feiert 2020 dafür, dass er seinen Erzfeind Donald Trump loswurde, den er bekämpfte, wie und wo er nur konnte. Nebenbei hat der Lieblingsautor auch noch eine starke Storysammlung herausgebracht: Ein echtes Don Winslow-Lesebuch für Fans und Neueinsteiger, das seine alten Helden in Team-ups zusammenführt, aber auch alle Facetten seines Könnens und seines kalifornischen Krimi-Kosmos zeigt.
Flucht von Benjamin Whitmer (Polar)
Der Amerikaner Benjamin Whitmer schrieb die beiden schonungslosen Country-Noir-Highlights „Im Westen nichts“ und „Nach mir die Nacht“. In seinem neuesten Werk „Flucht“ geht es um einen Gefängnisausbruch – um Ausgestoßene und Gesetzlose, um Gewalten und Gewaltbereite. Einer der nihilistischsten, dennoch tiefsinnigsten und obendrein fesselndsten Noir-Romane des Jahres. Für Jack Ketchum-Fans.
Knock-out New York von Rob Hart (Heyne)
Der erste Band der Serie um den nichtlizensierten Privatdetektiv Ash McKenna aus New York City. Eine überzeugende moderne Hardboiled-Detektivgeschichte, die Autor Rob Hart 2015 zurecht eine Anthony-Award-Nominierung für das beste Debüt einbrachte.
Visitation Street von Ivy Pochoda (Ars Vivendi)
Diesen Sommer in Red Hook, den Ivy Pochoda beschreibt, wird man so schnell nicht vergessen. Pochoda erweckt ihren von der Gentrifizierung heimgesuchten Melting Pot, der durch den Tod eines Mädchens aufgewühlt wird, mit feinster Prosa zum Leben. Sie findet genau den richtigen Sound für einen perfekten Sommer- und Brooklyn-Krimi, der zudem die Allüren eines modernen urbanen Märchens an den Tag legt. Großartig.
Stoneburner von William Gay (Polar)
Zugegeben: William Gays klassischere Südstaaten-Romane „Provinzen der Nacht“, „Ruhe nirgends“ und „Nächtliche Vorkommnisse“ habe ich mehr abgefeiert, und seine Storysammlung „I Hate To See That Evening Sun Go Down“ verehre ich regelrecht. Doch was wäre ich für ein Bewunderer, würde ich nicht auch diesen Bastard zwischen Southern-Noir und Hardboiled aus Gays Nachlass hervorheben und nebenbei auf Polars neue Taschenbuch-Reihe verweisen?
Der Malteser Falke von Dashiell Hammett (Kampa)
Dashiell Hammetts kantiger Klassiker über Sam Spade, erstmals 1930 erschienen, lieferte den Prototypen des hartgekochten, abgebrühten Schnüfflers. Kampa brachte 2020 eine Neuausgabe in guter, nicht glättender Übersetzung und schicker Hardcover-Aufmachung. Gehört natürlich ins Regal jedes Krimi-Liebhabers.
Der erste Tote von Tim MacGabhann (Suhrkamp)
Schon nach wenigen Seiten weiß man: Dieser brutal krasse und krass brutale Debütroman des in Irland geborenen, seit Jahren in Mexiko lebenden Tim MacGabhann über Korruption und Gewalt in seiner südamerikanischen Wahlheimat hat es in sich. Eine intensive, sprachlich formvollendete Mischung aus Tatsachenbericht und Thriller.