Mir ist bewusst, dass ich den Blog wieder zu sehr vernachlässige, und vorerst wird es vermutlich nicht besser, denn die Hitze hat meinen Deadlines ebenso wenig gut getan wie die Lektüre, über die ich nachfolgend ein bisschen was erzählen werde. Wenn ihr die Texte hier vermisst, dann schaut doch einfach auf diezukunft.de – da gibt es am laufenden Band etwas aus meiner Feder zu lesen …
Eigentlich wollte ich ja ohnehin noch etwas warten, bis ich mir Don Winslows »Das Kartell« kaufe, die Fortsetzung seines epischen »Tage der Toten«. Der Verlagswechsel im Deutschen hat ein Holzhammer-Cover hervorgebracht, das mir trotz Glanzlack-Spiegeloberfläche nicht viel gibt und mich angesichts der früheren Winslow-Cover eher ärgert; und über 800 Seiten sind bei den momentanen Bergen an Arbeit und dazugehörigen Stapeln an Arbeitslektüre auch kein Zuckerschlecken.
Nachdem mich Warren Ellis dann aber in seinem Newsletter praktisch wöchentlich mit Updates versorgt hat, wie genial »Das Kartell« wieder geworden ist, und ich noch andernorts über Lobeshymnen von Winslow-Fans und Erstlesern stolperte, konnte ich nicht länger widerstehen.
d’accord: »Das Kartell« ist genauso gut und genauso episch wie »Tage der Toten« (wenngleich nicht ganz so cool wie »Zeit des Zorns« oder »Kings of Cool«, aber das ist okay) – und dabei, wie ein Blick in die Nachrichten beweist, topaktuell. Der Roman ist eine überzeugende Fortsetzung, kann jedoch auch als Einzelband gelesen werden, ja ist selbst als Winslow-Erstkontakt geeignet. Das macht Mr. Winslow einfach sehr gut. Obendrein hat er dieses Monster erneut ausgesprochen elegant geplottet und durchkomponiert – Winslow hat seine Figuren und Handlungsfäden bei aller Opulenz stets im Griff, und gleichzeitig schreibt er äußerst süffig, knackig und unterhaltsam. Und er gerät trotz der Thematik und Elemente seiner Geschichte nicht in die Verschwörungs-Theoretiker-Falle.
Um es mal aus Genre-Sicht zu sagen: Für mich sind »Tage der Toten« und »Das Kartell« das Game of Thrones des modernen Krimis über den Krieg gegen die Drogen bzw., um es im Tenor des Romans zu sagen, mit den Drogen.