Bryan Talbot kann guten Gewissens als britische Comiclegende bezeichnet werden. Neben eigenen Werken wie Luther Arkwright oder Grandville, die er schrieb und zeichnete, arbeitete Talbot zudem an US-Serien wie Sandman. 2012 tat sich Bryan Talbot erstmals mit seiner Frau – der Wissenschaftlerin Dr. Mary Talbot – für ein gemeinsames Comicprojekt zusammen: In Dotter of Her Father’s Eyes verbanden sie Marys Autobiografie mit der Geschichte von James Joyce’ Tochter. Historische soziale und politische Hintergründe standen bereits in dieser mit dem prestigeträchtigen Costa Book Award ausgezeichneten Graphic Novel im Vordergrund, die es allerdings nicht zu einer deutschen Ausgabe brachte.
Anders die zweite Zusammenarbeit der Eheleute Talbot, die sich für Votes for Women. Der Marsch der Suffragetten noch Zeichnerin Kate Charlesworth ins Boot geholt haben. Das steuern sie durch die Ära zwischen dem Tod von Königin Victoria und dem Ersten Weltkrieg. Hier kämpfen britische Frauenrechtsgruppen dafür, dass im Empire das Wahlrecht für Frauen eingeführt wird. Man begegnet den Aktivistinnen mit Spott, Verachtung und sogar physischer Brutalität. Doch keine Polizeigewalt, keine Verurteilung und keine Zwangsernährung hinter Gittern können die Vordenkerinnen von ihrem Kurs abbringen. Schließlich werden sie zu immer heftigeren Aktionen gezwungen, die trotz des ehernen Ziels letztlich als Terrorismus verbucht werden müssen. In diesen explosiven Zeiten gehört die junge Sally Heathcote zu den feministischen Aktivistinnen. Sie erfährt am eigenen Leib die Missstände in der Gesellschaft und erlebt den Kampf der Suffragetten, aber auch deren Zerfall in verschiedene Lager aus nächster Nähe.
Nähe zu Sally als Figur baut man als Leser derweil erst gegen Ende des Comics auf, den Charlesworth ausgesprochen schön gestaltet hat. Den Talbots gelingt in erster Linie ein starkes, fundiertes Portrait der damaligen Zeit und des harten, unermüdlichen Ringens der Frauenrechtlerinnen. Sieht man Votes for Women, das mit einem üppigen Textanhang daherkommt, als informative Geschichtsstunde in Panelform und nicht als spannendes Comicdrama, funktioniert das – nicht zuletzt als Einstimmung auf Suffragette mit Meryl Streep, der seit Anfang Februar im Kino läuft.