In dieser Rubrik wird jeden Mittwoch einer der Comics vorgestellt, die ich kürzlich aus privatem oder beruflichem Interesse gelesen habe. Mittwoch, der traditionelle Release-Day der Comic-Verlage in den Staaten, scheint mir der passende Tag für diese Texte zu sein.
Mounties und Macumba
Der Verlag Schreiber & Leser arbeitet sich nicht nur durch eine Neuausgabe von Hugo Pratts abenteuerlichem Comic-Klassiker »Corto Maltese«, der Frank Miller genauso beeinflusste wie Mike Mignola oder Eduardo Risso. Mit dem frisch erschienenen Album »Ein Mann – Ein Abenteuer 1: Jesut Joe • La Macumba del Gringo« liegt nun auch noch ein Band vor, der zwei von Pratts Beiträgen zur berühmten italienischen Reihe »Un uomo un’avventura« sammelt, die in den 70ern entstanden.
Die erste überraschend blutige Geschichte widmet sich dem kanadischen Ureinwohner Jesuit Joe, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts wie eine Laune des Schicksals durch den Norden unter dem Schutz der Mounties lügt und mordet. »Jesuit Joe« wirkt wie eine konsequente, drastische Opfergabe an Jack London, den Cortos Schöpfer als Autor verehrte. Dass Pratts skizzenhafte Storyboards zur späteren Verfilmung die ursprüngliche Panel-Story hinterher ergänzen und so weit wie möglich fortführen, stört kein bisschen.
Die zweite Story, die im fiebrigen, abergläubischen Brasilien übernatürliche Macumba-Magie, weltliche Kriege und fleischliche Gelüste miteinander verbindet, ist ungeheuer stark und sexy gezeichnet – aber auch ungeheuer verwirrend, was Personal und Plot angeht. Wer schon Probleme hatte, der einen oder anderen surrealistischen Corto-Episode zu folgen, wird sich an »La Macumba del Gringo« erst recht die Zähne ausbeißen.
Vermutlich wäre ein dünnerer Band mit allein dem brutalen Streifzug von Jesuit Joe, wie er kürzlich in den USA veröffentlicht wurde, die bessere Wahl gewesen. Andererseits freuen sich Pratt-Komplettisten über jedes Stück und jede Rarität. Im Februar folgt ein zweiter Band mit »Westlich von Eden« und »Svend«.