In dieser Rubrik wird jeden Mittwoch einer der Comics vorgestellt, die ich kürzlich aus privatem oder beruflichem Interesse gelesen habe. Mittwoch, der traditionelle Release-Day der Comic-Verlage in den Staaten, scheint mir der passende Tag für diese Texte zu sein.
Der perfekte Sommer-Comic
Bastien Vivés gehört zu der jüngeren Generation französischer Comic-Macher, deren vielseitige Vertreter von den frankobelgischen Meistern ebenso beeinflusst wurden wie von japanischen Animeserien und amerikanischen Helden. Die starke »Dragonball«-Hommage »LastMan«, die Vivés zusammen mit Balak und Sanlaville inszenierte, musste hierzulande leider frühzeitig auf Eis gelegt werden – dafür brillierte zuletzt z. B. der von Vivés mitgestaltete Panel-Krimi »Olympia«.
Gerade ist bei Reprodukt außerdem der Einzelband »Eine Schwester« erschienen, eine wunderbar sommerliche Geschichte über das Erwachsenwerden im Urlaub. Strand, Familie, Lagerfeuer, Dorfjugend, Pokémon, ein wunderschönes Mädchen, Freundschaft, Sex – alles drin, was eine gute Coming-of-Age-Geschichte braucht. Vivés digitale Zeichnungen reduzieren und akzentuieren dadurch alles noch massiver.
Es wäre zu einfach, Vivés leichten und einfühlsamen, stellenweise überraschend erotischen Comic-Roman nur als den gefühlsmäßigen Nachfolger zur viel gelobten Graphic Novel »Ein Sommer am See« von den Tamakis zu bezeichnen, zumal »Eine Schwester« subjektiv der bessere Comic ist, da man noch mehr in die Sommertage des dreizehnjährigen Antoine und der sechzehnjährigen Helene hineingezogen wird. Doch »Eine Schwester« darf sich gern zu »Ein Sommer am See« ans Lagerfeuer der Aufmerksamkeit setzen, wenn das hilft, dass möglichst viele Feuilletonisten und Leser den Band für sich entdecken.
Mit »Eine Schwester«, dem perfekten Sommer-Comic, beweist Bastien Vivés einmal mehr, dass er einer der besten Comic-Erzähler Europas ist.