Richard Corben: Edgar Allan Poes Geister der Toten

Geister der Toten, Splitter 2015
Geister der Toten, Splitter 2015

Mit seinem einzigartig-eigenwilligen Stil und seinen bahnbrechenden Kolorier-Experimenten revolutionierte Richard Corben vor fast 40 Jahren die Comicszene, wobei er Einflüsse aus den USA und Europa vereinte. Und ob Science-Fiction, Fantasy oder Horror, Steinzeit oder Endzeit, Lovecraft oder Bradbury, Batman oder der Hulk, Robert E. Howards Conan oder Will Eisners Spirit, Hellboy oder Constantine, Luke Cage oder Bigfoot, der Punisher oder das Gespann Vic und Blood aus den Geschichten von Harlan Ellison – der unermüdliche Mr. Corben hatte sie alle!

Nach der vorbildlichen „Creepy“-Gesamtausgabe von Corbens Schaffen für die berüchtigten Warren-Genre-Magazine, veröffentlichte der Splitter Verlag nun einen Sammelband mit Corbens jüngsten Adaptionen des Werks von Edgar Allan Poe (1809–1849), einem der zu Lebzeiten verkannten, aber großen Wegbereiter der literarischen amerikanischen Moderne.

Corben schuf dabei nicht nur Comic-Fassungen zu Poe-Klassikern wie „Der Rabe“ oder „Die Maske des Roten Todes“ sowie eine geniale Adaption von „Der Doppelmord in der Rue Morgue“, Poes Prototyp der Detektivgeschichte, der auch Arthur Conan Doyle und Sherlock Holmes massiv beeinflusste. Darüber hinaus verwandelte der 1940 geborene Corben einige von Poes düsteren Gedichten in vor Atmosphäre nur so strotzende, kleine Meisterwerke des Comic-Horrors, die Mike Mignola vor Genuss sicher erschauern lassen: „Allein“, „Die Stadt im Meer“, „Die Schlafende“, „Das Stelldichein“, „Morella“ und „Schatten“ sind ebensolche Perlen wie die längeren Panel-Interpretationen von Poes Balladengedicht „Eroberer Wurm“ und seiner Kurzgeschichte „Das Fass Amontillado“. Dass mit „Der Untergang des Hauses Ushers“ ausgerechnet eine der berühmtesten Poe-Erzählungen auf manchen Seiten nicht mit dem Farbschema und der Atmosphäre des übrigen Bandes mithalten kann, darüber sieht man bei so viel Stimmung gerne hinweg.

Am Ende ergeben Corbens signaturmäßiger Duktus und die typischen Poe-Motive in ihrer Symbiose eine ganz eigene Unverkennbarkeit zwischen diesen durch Jahren, aber nicht durch Können getrennten Meistern ihrer jeweiligen Kunst.